Süddeutsche Zeitung: Grüße aus Absurdistan

[schmartie]

Vorgestellt: Smart Crossblade

Grüße aus Absurdistan, die beste Empfehlung als Siebtauto für Ibiza

Nach reichlich Spott, einigen Rückschlägen und sehr viel Arbeit ist Smart auf der Straße des Erfolgs unterwegs. Der im Sommer 1998 vorgestellte bunte Knirps hat die anfangs genannten Produktionszahlen zwar noch längst nicht erreicht, doch er hat sich durchgesetzt. Smart kennt fast jeder und den meisten fällt zu der Marke etwas ein.
Vielleicht war es dieses erleichternde Gefühl des „Geschafft!“, aus dem der Crossblade geboren wurde, ein Auto für Männer ohne Nerven und Frauen ohne Frisurprobleme. Denn mit seinem grenzenlos offenen Wesen und seiner futuristisch-martialischen Optik wagt sich dieser Zwerg in jene Grenzbereiche der Mobilität vor, in denen Peinlichkeit und Originalität, Wahnsinn und Genie Tür an Tür logieren. Eine Art vierrädriges Motorrad solle der auf 52 kW (70 PS) getunte, breit bereifte Crossblade sein, sagt Entwicklungschef Helmut Wawra, der schon so schöne Autos wie den Mercedes SLK gebaut hat. Also beraubte eine fünfköpfige, zum Äußersten entschlossene Gruppe von Querdenkern das Smart Cabrio aller Komponenten, die Licht und Luft im Wege stehen. Statt der Windschutzscheibe spannt sich nun eine flache, getönte Plastik über das spartanische Cockpit, und selbst die Turen landeten, wie das durch eine Not-Persenning ersetzte Dach, auf dem Schrottplatz der Konventionen: An ihre Stelle treten dicke, nach vorn-oben öffnende Traversen, die mit dem unerbittlichen Klacken der gepolsterten Haltevorrichtungen jener Achterbahnen einrasten, deren Vierfach,Loopings und Doppelschrauben unsere Magennerven blank legen.
Eine zugsichere Brille empfiehlt sich für die Fahrt und -für die Damen- der Verzicht auf Röcke jeder Länge. Schon bei 50 km/h weht es aus allen Richtungen so massiv in das mit wasserabweisenden Materialien ausgeschlagene Cockpit, dass der BMW Z1, einst wegen seiner versenkbaren Türen als das Nonplusultra der Frischluft-Therapie gelobt, wie eine stickige Kammer erscheint. Heranbrausende Insekten wirken wie kurze Nadelstiche im Gesicht und füllen den alten Witz mit neuem Leben, man erkenne den freundlichen Motorradfahrer an den Fliegen zwischen den Zähnen.
Bebrillt, windumtost und meistens schweigend fährt man also durchs Land und setzt sich Publikumsreaktionen aus, die so vielfältig sind wie das Leben. Stumme Fassungslosigkeit gibt es oder verächtliches Kopfschütteln, aber auch verblüffte Sympathie und versonnene Zustimmung: Nun sind sie also gelandet. Sehen nicht viel anders aus als wir. Nur komische Autos haben sie auf dem Mars. Der stürmische Ritt über das dünne Eis der öffentlichen Wahrnehmung ist auf 2000 Exemplare limitiert; sie entstehen wie jenes fur den Pop-Star Robbie Williams überwiegend in Handarbeit beim Karosserie-Spezialisten Binz. Das erklärt auch den Preis von 24 360 Euro, der den Crossblade vollends zum rollenden Gruß aus Absurdistan macht. Ein Pool fürs Pferd oder doch ein Siebtauto für die Finca auf Ibiza? Man würde gern mit den Käufern des Crossblade tauschen. Jedenfalls was die liquiden Mittel anbetrifft.
Michael Harnischfeger